Mir einem Kran werden die alten Stahljoche aus dem Turm geholt
aufgenommen im Mai 2015 von Bernhard Meier
Es war sicher für viele Mitbewohner von Friedrichsfeld etwas ungewöhnlich, dass am vergangenen Samstag alle Kirchenglocken zum feierlichen Geläut einstimmten.
Und zwar nicht nur die der evangelischen sondern auch die der katholischen Kirche. So etwas gibt es normalerweise nur bei großen Kirchenfesten oder zu Silvester.
Der Grund dazu war natürlich ganz einfach, denn es handelte sich um das feierliche Einläuten der neu restaurierten Glockenanlage. Dazu stimmten dann auch die Glocken der benachbarten katholischen Kirche ein.
Es war schon ein erhebender Moment, als alle Glocken zuerst einzeln und dann als feierliches Gesamtgeläut erklangen.
Lange musste man nämlich darauf verzichten. Wie bereits mehrfach berichtet, mussten ja die alten Stahljoche und Lager ersetzt werden, ebenso die Ansteuerung der Motoren auf den neusten Stand gebracht werden.
Was folgte war eine beispiellose Spendenaktion, bei der das vorgegebene Ziel schon recht bald erreicht und danach überschritten wurde. So können die Rücklagen der Gemeinde unangetastet bleiben und stehen für andere Aufgaben innerhalb der Gemeinde zur Verfügung.
Musikalisch wurde die kleine Feierstunde in der voll besetzten Johannes-Calvin-Kirche von der Kantorei mitgestaltet.
Pfarrer i.R. Ulrich Steuernagel berichtete über die Geschichte der Friedrichsfelder Glocken, die sogar bis ins 18. Jahrhundert zurückgeht.
Er begann mit dem Friedrichsfelder Glockenkrimi aus dem Jahre 1852. Damals war in einer Nacht- und Nebelaktion eine 1780 gegossene Glocke spurlos aus dem Glockenturm verschwunden und nie wieder aufgetaucht.
Fünfzig Jahre später, zur Weihe der neuen Kirche 1902, wurden vier neue Glocken in der Glockengießerei Hamm in Frankenthal gegossen, die dann aber schon 1914 für Kriegszwecke entfremdet wurden.
Am 16. November 1924 konnten dann die neuen Glocken geweiht werden, welche aber am 30. April 1942 ebenfalls wieder als „Kanonenfutter“ abgeholt wurden. Einer großen Spendenaktion war es dann zu verdanken, dass am 31. Dezember 1950 die heutigen Glocken geweiht werden konnten.
Seit 62 Jahren hingen sie nun im Turm und werden ab sofort nach 255 Tagen der Stille wieder zu den Gottesdiensten, zu kirchlichen Feiern und vielen weiteren Gelegenheiten erklingen.
Pfarrerin Monika Mayer-Jäck und Pfarrer Michael Jäck bedankten sich bei allen für die überaus große Spendenbereitschaft, auch über die Konfessionen hinweg. Sie seien davon einfach überwältigt und zeigten auch die große Verbundenheit der Gemeinde zur Kirche.
Über die umfangreichen Bau- und Renovierungsarbeiten berichtete Kevin Gohlke.
Danach war es dann soweit. Nachdem jede einzelne Glocke noch einmal in ihrer Bedeutung und ihrer Inschrift „Glaubet“, „Wachet“, „Liebet“ und „Betet“ beschrieben worden war erklangen sie das erste mal wieder.
Und da die evangelischen und katholischen Glocken auch aufeinander abgestimmt sind, ein ganz besonderes Zeichen der gut funktionierenden Ökumene, erklangen sie am Ende dann alle gemeinsam.
Das nächste große Ziel hat man bereits vor Augen. Da die Stahlglocken ja nicht für die Ewigkeit gemacht sind, werden sie wohl in 10 bis maximal 20 Jahren ausgetauscht werden müssen. „Dann möchten wir uns wieder schöne Bronzeglocken gönnen“ so Monika Mayer-Jäck.
Mit Friedrichsfelder Glockenschlagvariationen auf Orffinstrumenten, dargebracht von Claudia Schwabe, Monika Mayer-Jäck, Michael und Tobias Jäck und Bernd Binder, sowie einem kleinen Umtrunk, bei dem unter anderem auch „Glockenplätzchen“ gereicht wurden, ging die Feierstunde dann zu Ende. ms
Glocken müssen abgestellt werden
Seit Anfang März läuten unsere Glocken nicht mehr. Grund sind technische Mängel in der Glockenaufhängung. Die Lager sind ausgeschlagen und die Stahljoche zeigen nach über 60 Jahren deutliche Ermüdungserscheinungen. So konnte es der Techniker der Glockenwartungsfirma nicht mehr verantworten, dass die Glocken läuten.
Allerdings ist der Uhrschlag noch in Betrieb, da dafür die Glocken nicht bewegt werden müssen.
Wir hoffen, dass der Schaden bald behoben werden kann und die Glocken wieder läuten.
Melanchthon- und Teerstegenglocke
Glockenweihe: 31.12.1950
Material: Gussstahl
Anzahl: 4
Lutherglocke
Auszug der Festschrift zum Kirchenchorjubiläum 1952:
Es war ein weher Abschiedstag, als im 1. Weltkrieg unser schönes Geläute, das im Jahre 1902 von der Glockengießerei Hamm in Frankenthal geliefert worden war, vom Turm herabgeholt wurde. Die ganze Gemeinde trauerte.
So war es kein Wunder, daß alle bald nach Kriegsende zusammenstanden, um die Mittel zur Anschaffung neuer Glocken aufzubringen. Aber die wirtschaftlichen Verhältnisse waren in jenen Jahren nicht gefestigt genug. Die Inflation machte den ersten Versuch zunichte. Doch ließ man sich nicht entmutigen und im November 1924 konnte nach einer zweiten Geldsammlung die feierliche Abholung und Weihe der Glocken vollzogen werden. Das neue Geläute tat treulich seinen Dienst, bis im Jahre 1942 wiederum der damalige Staat den Kirchen befahl, ihre Bronzeglocken herzugeben. Alle Versuche, sie zu erhalten, scheiterten. So sahen wir am 30. April 1942 zum zweiten Male zu, wie das Werk vieler Liebe unseren Händen entwunden wurde. Werden wir noch einmal ein neues Geläute bekommen, das war die Frage, die in den ersten Jahren nach dem verlorenen 2. Weltkriege zuerst keine bejahen wagte. Man war ja so arm geworden, in Enttäuschung und Verzweiflung versunken. Aber wenn der Sonntag kam, wenn die hohen Feste zum Gotteshaus riefen, wenn wir ein Gemeindeglied zu letzten Ruhe betteten oder ein Hochzeitspaar zur frohen Feier an den Altar begleiteten, und nur ein Glöcklein ließ seine einsame Stimme ertönen, dann fasste uns die Sehnsucht und die leise Hoffnung: Es wird auch zum dritten Male gelingen! Eines Tages war es so weit. Hunderte und Aberhunderte von Familien trugen in vorbildlichem Opfersinn ihre Gaben zusammen. Wir fanden warme Unterstützung und Hilfe bei den hiesigen industriellen Unternehmungen. Herr Direktor Kammerscheid und Herr Direktor Müller und Herr und Frau Fabrikant Schoeps standen uns tatkräftig zur Seite. Über 50 Männer und Frauen führten die Sammlung während der Monate Mai bis Oktober 1950 durch. Die Gemeindeglieder spendeten etwa 8000 Mark, verkaufte alte Glocke und Glockenstuhl erbrachten 2500 Mark, die Spenden der Fabriken betrugen 3950 Mark. Angeschafft werden konnten vom Bochumer Verein vier Gussstahlglocken und ein neuer sechs Meter hoher Glockenstuhl, der den Klang der Glocken besser über die Dächer trägt, und eine neue Läutemaschine vom Herforder Elektrizitätswerk, so daß die Glocken wieder elektrisch geläutet werden konnten.
Um die Weihnachtszeit 1950 traf das neue Geläute ein und wurde in einer Fabrikhalle der Firma Schoeps untergebracht. Nicht leicht waren in winterlicher Temperatur Arbeiten im Turm, die zur Aufstellung des Glockenstuhls erforderlich wurden. Wir danken den Männern, die in selbstloser Arbeit dabei mitgeholfen haben. Dichte Schneeflocken wirbelten vom Himmel herab, als am Mittwoch nach Weihnachten die Glocken auf festliche geschmückten Wagen zur Kirche gefahren wurden. War die Einholungsfeier mit Rücksicht auf die Jahreszeit und die beschleunigte Montage der Glocken ganz schlicht gehalten, so vollzog sich die "Glockenweihe" am 31. Dezember besonders eindrucksvoll und feierlich unter großer Teilnahme der Gemeindeglieder und Einwohner im dichtgefüllten Gotteshause. Unter den Festgästen sahen wir den Oberbürgermeister unserer Heimatstadt, Herrn Dr. Heimerich, die Vertreter der hiesigen Firmen, der katholischen Gemeinde, der Schulen und Vereine. Die beiden Männergesangvereine, der Cäcilienverein und unser Kirchenchor wirkten in dankenswerter Weise mit und trugen wesentlich zum schönen Gelingen der Feier bei. Herr Pfarrer Fuchs begrüßte alle aufs wärmste. Herr Kirchenrat Dekan Joest überbrachte die herzlichen Grüße und Segenswünsche der Gesamtgemeinde und des Kirchenbezirks Mannheim. Pfarrer i. R. Schönthal nahm dann die Weihe der einzelnen Glocken vor, indem er über die Namen der einzelnen Glocken und ihre Inschriften sprach, jede einzelne Glocke und zuletzt das gesamte Geläute erklingen ließ. Den Abschluß der erhebenden Feier bildete die Festpredigt des Pfarrers des evangelischen Männerwerkes Adler.
Möge Gottes Güte der Gemeinde das dritte Geläut im Frieden erhalten!
Der Gemeinde selbst aber möge der Klang der Glocken immer wieder aufs neue in Herz und Gewissen rufen, damit sie ihre Aufgabe an den Menschen erfülle:
Glaubet!
Liebet!
Wachet!
Betet!
H. Sch.